Bulgarien / Rumänien

Nach der Grenze in Bulgarien anzukommen, war ziemlich ernüchternd, kaputte und verlassene Häuser, streunende Hunde und alles völlig verwahrlost. Durch die einsamen Felder zu radeln, ohne Verkehr, war dann zwar wieder schön, aber auf dem Weg zur Donau auf einem ziemlich holprigen Feldweg, lag wieder alles voller Müll und die Felder waren abgebrannt. Bei Einbruch der Dunkelheit hatten wir dann endlich die Donau erreicht und wollten wild campen, aber irgendwie gruselte es mich so sehr, dass ich Alex bat weiterzufahren. So kamen wir durch weitere verlassene und kaum beleuchtete Dörfer und es blieb uns nichts anderes übrig, als nach über 100 km in Vidin ein Zimmer über der Tankstelle zu nehmen. Bei der Fahrt durch die Stadt wäre ich mit meinem Rad beinahe in einem Loch neben der Straße gelandet, denn alle Gullideckel waren weg, möglicherweise geklaut worden und über den Schrotthändler zu Geld gemacht. Vidin war ebenfalls eine sehr hässliche Stadt, Grenzgebiet eben. Am nächsten Tag kamen wir nach Calafat in Rumänien und als erstes stürzte ich mich in einen Lidl, um endlich mal wieder etwas Gutes zum Essen einzukaufen, denn das war in Serbien nicht immer einfach. Aber auch Rumänien erwies sich als trostlos, dreckig und arm. Einige benutzen noch einen Pferdekarren statt einem Auto, an der Straße durch die Dörfer sitzen die alten Menschen auf Bänken vor dem Haus (meist allein) und winken dir zu. Bürgersteige gibt es nicht oder sind in einem grauenhaften Zustand, die Pferde stehen neben den Häusern im Garten oder Hof. Es gibt noch viele Plumpsklos, ich selbst war auf einem, da lagen einfach zwei Bretter auf dem Boden, in der Mitte ein Loch. Das also ist die Walachei, in die man ja manchmal sprichwörtlich Menschen schicken möchte, jetzt weiß ich, warum, außer Feldern gibt es hier nichts. Fast alle werden nach der Ernte abgebrannt, der Müll vom Straßenrand wird untergepflügt. Mit dem Rad durch diese Endlosigkeit zu fahren, war zwar eintönig, aber auch angenehm, es gab kaum Verkehr. So campten wir an einem See und hatten das Glück, dass erst am nächsten Morgen Menschen kamen, als wir am Losfahren waren. Leider mussten wir dann wieder ewig durchs Feld zurückfahren, was sehr anstrengend war. In Corabia, der nächsten größeren Stadt, gab es dann wieder Autos und einigermaßen normale Läden und wir fanden ein gutes Zimmer für die Nacht. Die Fahrräder haben wir bisher immer mit in die Zimmer genommen, in Belgrad hat Alex sie sogar vier Stockwerke hochgeschleppt. Denn in Österreich warnten uns die Leute vor den Slowaken, die alles klauen würden. In Kroatien warnte uns Kresimir mehrmals vor den Serben, wir sollten gut auf unsere Räder aufpassen, hingegen die Kroaten nichts klauen würden (die Österreicher natürlich auch nicht). Und in Rumänien wurden wir vor den Bulgaren gewarnt…. Eine sehr schöne Überraschung (inklusive Schnaps zur Begrüßung) war am nächsten Tag der „Indoor-Campingplatz“ bei Sam, „Scarlat Cottages for older people“, wir bekamen unser eigenes Zimmer, konnten waschen und duschen und haben abends mit ihm, Simon, einem weiteren Reiseradler aus England, und Jerome aus Belgien am Feuer gegrillt. Auch wenn das meiste verbrannt war, hatten wir einen lustigen Abend. Sam, der ursprünglich aus England kommt, kümmert sich einfach um alles und das eingenommene Geld soll dafür dienen, dass später mal bedürftige ältere Menschen in diesem Haus leben können, wenn es fertig ausgebaut ist. Und das in Lisa, einem Kaff jwd in Rumänien. Wir sind morgens früh mit Simon losgeradelt, um die Etappe von 111 km nach Russe in Bulgarien möglichst schnell zu schaffen, tagsüber wurde es sehr heiss. Nachmittags wollten wir versuchen den Zug nach Istanbul zu buchen. Das hat aber leider überhaupt nicht geklappt, da die Dame am „internationalen“ Schalter kein Wort Englisch sprechen konnte und in einem Büro, dass seit den 70ern wohl nie verändert worden ist, saß. Nach den zehn Tagen Radfahren ohne einen Tag Pause waren wir jetzt gezwungen, hier auszuharren bis wir das geklärt hatten, denn wir wollten endlich raus aus dem „Ostblock“, das Wetter sollte ohnehin schlechter werden. Also sind wir am nächsten Tag direkt auf den Bahnsteig gefahren und haben den Schaffner des Bosphorus Express gefragt, ob wir denn am kommenden Tag mit den Rädern und all unserem Gepäck mitfahren könnten. Das sei ausgeschlossen, erklärte er uns auf Türkisch, absolut gegen die Vorschriften und man könne nur Klappräder mitnehmen. Aha, und nun? Da kam uns eine Schaffnerin zu Hilfe und wieder mit einer übersetzenden weiteren Person erklärte Alex das Problem dem bulgarischen Bahnhofsvorsteher. Dieser meinte, der türkische Schaffner solle sich nicht so rummachen, wir sollten ein Viererabteil im Schlafwagen für uns und die Räder reservieren, dann könnten wir mitfahren. Gesagt, getan und so ging es mit dem Zug nach Istanbul, der für 402 km 17 Stunden brauchte. Dies lag nicht nur an den schlechten Gleisen, sondern auch an diversen Aufenthalten zum Umkoppeln der Lok und der Waggons. Die Loks wurden immer am Bahnhof nach der Landesgrenze gewechselt. Auch die Passkontrolle an der türkischen Grenze war ein ziemliches Prozedere. Alle Passagiere mussten um 3:30 nachts den Zug verlassen um am einzigen Schalter an der Grenze ihre Visaangelegenheiten zur Einreise zu regeln. Nach 2887 km auf dem Fahrrad und eben dieser Zugfahrt kamen wir in Istanbul an.
Rumänien
Catedrala Sfântul Haralambie, Turnu
v.l.n.r.Simon, Nadja, Alex, Jerome at Scarlat Cottages
Euro Velo 6 Russe, Bulgarien
Russe, Bulgarien
Russe, Bulgarien
Russe, Bulgarien

6 Antworten auf „Bulgarien / Rumänien“

  1. Was transportieren die Bauern auf dem Pferdewagen, abgeernteten Mais? Bilder, wie aus dem letzten Jahrhundert.
    Und der Müll überall. Der konnte früher meist besser verrotten.

    Und dann dies: 17 Stunden faul im Liegewagen, auf weißem Linnen, wie komfortabel! Wurde auch Frühstück serviert, mit türkischem Kaffee und so?
    Ich bin auf den Istanbul-Bericht gespannt.
    IKE

    1. Vielen Dank. Istanbul-Bericht folgt bald! Das sind nur noch die Reste vom geernteten Mais. Vielleicht als Futter? Liebe Grüße

  2. Naja ist jetzt wahrscheinlich nicht unbedingt mein Urlaubswunsch Ort … ich denke mal ab jetzt kann es nur noch schöner werden 🙂 passt auf euch auf , Küsschen

  3. Hey ihr zwei! Seid ja echt coole Socken, so ein Vorhaben, so eine Tour! Habe eben eine Stunde gebraucht euch hinterher zu lesen. Klasse Blog, tolle Dokumentation! Das herrlichste auf der Welt ist Zeit zu haben, frei zu sein die eigene Geschwindigkeit zu leben. So auch bei den andauernden Entscheidungen wie und wolang es weitergeht. Also, weiter so! Danke für’s Teilhaben lassen!

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