Türkei Teil 1/2
Von der Fähre ging es dann recht zügig aus der Stadt Bandirma hinaus an einen See, an dem wir das Zelt an einem Steg direkt am Wasser aufbauten, es wurde schnell kalt und dunkel. Eine hungrige Horde Hunde belagerte uns und so teilten wir mit ihnen unser Abendessen. Die Nacht war kalt, unangenehm und so neblig, dass wir am nächsten Tag nur wenig sehen konnten. Zum Glück kam die Sonne raus und es wurde tagsüber sehr warm. Genauso schnell, wie wir uns an die Behaglichkeit einer Wohnung gewöhnt hatten, stellten wir uns jetzt wieder auf das Radfahren ein, unsere Muskeln waren noch trainiert, aber die üblichen Sattelschmerzen ließen nicht lange auf sich warten. Wir fuhren auf dem Randstreifen einer vierspurigen Bundesstraße, oft unter den aufmunternden Hupsignalen der LKW und Autos. Vom ersten Tag an wurden wir regelmäßig zum Cay (Tee) eingeladen, ein Türke kaufte uns gar eine Tüte Sesamringe, überwältigt von seinen Erinnerungen an seine Zeit in Deutschland. So ging es die nächsten Tage weiter, wir kamen gut voran, zelteten einmal auf einem Acker, das andere Mal zwischen Büschen auf einer Anhöhe. Das Wetter blieb immer gleich, erst Nebel, dann Sonnenschein. Für das Frühstück gingen wir gelegentlich an eine der vielen Tankstellen an der Schnellstraße, dort gibt es Toiletten, Wasser und Sitzmöglichkeiten, um Kaffee und Müsli zu kochen. Mittags gab es dann meistens Kekse, Twix (ehemals Raider), Snickers, Mandarinen und Bananen.
Und dann kam der vierte Tag, an dem wir 90 km fuhren, um endlich am Meer zu sein. In Ören fanden wir einen wunderschönen Campingplatz direkt am Meer und ich sprang sofort ins Wasser, genial, nach so vielen Wochen! An jedem Rastplatz hatten wir Hunde und Katzen, ja sogar Hühner, mit denen wir unser Essen teilten. Und so hatten wir auch hier für zwei Tage einen Hund und eine Katze als Haustier. Die Katze schlief bei uns im Vorzelt, eng an meinen Rücken geschmiegt.
Auch der nächste Platz war am Meer in der Nähe von Dikili, aber der Weg dorthin sehr bergig und anstrengend und auch war es dort nicht so schön. Wir wollten aber weiter am Meer bleiben und so fuhren wir am nächsten Tag weiter in Richtung einer sehr beeindruckenden Steilküste. Leider erwies sich der Weg als ziemlicher Horror, denn nachdem wir endlich die Stadt Aliaga verlassen hatten um am Strand zu campen, gerieten wir 12 km lang in ein Industriegebiet, in dem uns ein LKW nach dem anderen überholte, nur hatten wir diesmal keinen Randstreifen und konnten aufgrund der Luftverschmutzung und dem Ruß in der Luft kaum Atem holen. Mitten zwischen all den Lastern und dem Dreck lag an der Seite ein weißer Hund, der mich an Maila, den Hund meiner Nichte, erinnerte und der vor Freude mit dem Schwanz wedelte, als ich vorbeifuhr. Es brach mir fast das Herz ihn in all diesem Chaos zu sehen.
Kein Meer in Sicht, es wurde dunkel und kalt, in Yenifoca versuchten wir ein Apartmenthaus oben auf einem steilen Berg zu finden (laut Google sollte es dort sein), also die Räder mit letzter Kraft hochgeschoben, aber es hatte leider geschlossen. Ich war am Ende, 80 km mit mehreren hundert Höhenmetern gefahren, völlig durchgefroren und hungrig wie ein Wolf…und trotzdem weiterradeln in den nächsten Ort. Und dann in all diesem Elend am Ortseingang endlich ein Hotel, ein sehr schönes Zimmer, die Räder auf den Balkon gestellt und dann eine heiße Dusche. Der nette Koch machte für uns Fisch und Pommes mit Salat zum Abendessen (wir waren die einzigen Gäste in dem großen Hotel) und selig fielen wir danach ins Bett.
So radeln wir am Tag darauf nur wenige Kilometer zum nächsten Strand, stellen das Zelt auf, gehen baden und entspannen uns. Wie immer gesellen sich die üblichen Tiere (diesmal auch Hühner) zu uns. Am Abend im Zelt kommt jedoch Wind auf, der immer stärker wird, Alex schläft schon, während ich mir Sorgen mache, also wecke ich ihn auf. „Alex, es ist so stürmisch draußen, das Zelt fliegt weg!“. „Ah was, alles gut“, sagt er. Ich versuche einige Zeit zu schlafen, kann aber nicht und rüttle Alex wieder wach. „Wir könnten doch die Nachbarn neben uns fragen, ob sie ihren Camper vor uns stellen?“ „Ne, das machen wir nicht, die haben bestimmt keine Lust mitten in der Nacht ihr Auto umzuparken“, antwortet Alex und schläft wieder ein. Beim dritten Mal wacht er selbst auf und ist beunruhigt, mittlerweile haben wir (nur meiner Ansicht nach) orkanartige Böen und Alex geht raus und spannt das Zelt mit den Sturmleinen ab. Es wird nur wenig besser im Zelt und meine Angst bleibt, dass dass es dem Wind nicht standhalten wird. Endlich kommt der nächste Morgen und ich will aufstehen, da meint Alex doch glatt, „ach komm, lass uns hierbleiben und abwarten bis der Sturm vorbei ist“. „Auf gar keinen Fall“, antworte ich entnervt. Als ich draußen bin, ist der Sturm fast noch genauso heftig, aber hinter einer Hütte ist es windstill, denn der Wind kommt vom Land. Wir bauen das Zelt zum Glück ohne größere Probleme ab, frühstücken und fahren weiter. Endlich lässt der Wind etwas nach, nur auf dem Berg oben muss ich aufpassen, dass er mich nicht vom Rad wirft.
Wir fahren durch Foca und entscheiden uns nach anstrengenden Höhenmetern und rücksichtslosen Autofahrern auf der Landstraße, mit einer Art S-Bahn durch Izmir und weiter nach Selcuk zu fahren. Wir kommen im Dunkeln dort an und finden einen sehr schön gelegenen Campingplatz. Wir bleiben zwei Nächte und schauen uns die alte Ruinenstadt Ephesus an, eines der sieben Weltwunder der Antike mit Artemistempel und antikem Theater. Auch wenn es sehr voll ist, so ist es doch beeindruckend.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Fahrrad bis Aydin, wo wir zum ersten Mal über „warmshowershost“, einer Plattform für Radreisende, bei einem Gastgeber unterkommen. Josef empfängt uns herzlich, überlässt uns seine WG-Wohnung und geht wieder an die Uni, wir duschen derweil. Er kocht später für uns ein leckeres Abendessen und eine Freundin kommt zu Besuch, sie übersetzt für alle und so verbringen wir mit den beiden einen lustigen und spannenden Abend. Josef und Saray studieren beide noch, sind 27 Jahre alt und ihre Wünsche und Träume sind nicht anders als die meiner Kinder oder anderer junger -Menschen bei uns. Nicht zu früh heiraten, Erfolg im Beruf haben, Geld verdienen, Spaß haben, reisen. Am nächsten Morgen machen wir uns wieder auf den Weg, nach einem herzlichen Abschied von Josef, der uns vorgeschlagen hat, wir sollten bis Pamukkale mit dem Zug fahren, es sei schon zu spät, das heute noch zu schaffen. Zudem ist der 29.10. ein Nationalfeiertag in der Türkei, der mit hunderten türkischen Flaggen und Militärparaden an die Gründung der Republik 1923 erinnern soll und es ist überall brechend voll. Josef hilft uns noch, Gepäck und Räder im Zug zu verstauen, als ein wütender Schaffner ihm sagt, dies sei verboten. Nach einem hitzigem Streit der beiden müssen wir wieder aussteigen, was Josef sehr peinlich ist. Aber er wartet mit uns auf den nächsten Zug, der uns problemlos mitnimmt. Versteh einer die Türken!
Wir sind von den Kalksteinterrassen in Pamukkale fasziniert, auch wenn sie nicht mehr im ursprünglichen Zustand sind. Teile wurden künstlich angelegt, da Touristenströme der Vergangenheit mit ihren Schuhen starke Schäden hinterlassen haben. Heute dürfen die Terrassen nur noch barfuß betreten werden. Am nächsten Tag laufen wir bei schönem Wetter viele Stunden durch dieses riesige Areal und genießen es sehr.