Österreich-Ungarn

Kaum hatten wir (endlich) Bayern verlassen und die Grenze zu Österreich passiert, so änderte sich irgendwie auch die Landschaft. Unsere 74 km Etappe führte uns über Passau bis Inzell, kurz nach Schlögen an einer Donauschleife. Wir waren spät dran und stellten direkt auf einem Campingplatz an der Donau das Zelt auf. Am nächsten, sehr heißen Tag kamen wir in Linz an, gingen an einem See schwimmen und fuhren noch in die Stadt hinein um etwas zu essen. Hier lagen also all die Donauschiffe, die es jetzt plötzlich gab, denn seit Kehlheim war die Donau schiffbar, dort fließt die Altmühl hinein. Nach einer sehr schönen Tour kamen wir am nächsten Tag in Willersbach auf einem kleinen und sauberen Campingplatz an, denn der in Linz war einfach eine Zumutung gewesen, leider keine Ausnahme, die Radfahrer werden meist auf einer kleinen Wiese zusammengepfercht und müssen 15 bis 25€ bezahlen, und seit Österreich mit unsauberen sanitären Anlagen zufrieden sein. Aber der Radweg ist voll, das Geld fließt, die Betreiber sind zufrieden und an Wildcampen war bisher nicht zu denken. Hier nun erzählte mir eine alte Dame vom Platz nebenan, dass sie mit ihrem Mann seit 1971 auf diesen Campingplatz kämen, früher mit Zelt, jetzt in einem kleinen Häuschen von April bis Oktober, den Rest vom Jahr würden sie in Wien wohnen. Und diese Frau sagte mir, dass es mit der Ruhe seit einigen Jahren vorbei sei, zum einen wegen der Donaukreuzfahrtschiffe, von denen es Unmengen in allen Größen gibt und die dir nachts gefühlt durchs Zelt fahren und ebenso wegen den Lastwagen, die auf der Schnellstraße gegenüber fahren, um die LKW-Maut zu umgehen. Diese Schiffe halten in allen Donaustädten, spucken die Touristen an Land, die die Städte verstopfen, während die Schiffe das Wasser verpesten. Am nächsten Tag kamen wir in Krems an, nach einer wunderschönen Fahrt an der Donau entlang und kurz bevor das Gewitter losbrach. Wir waren bei Edith und Erwin eingeladen, die wir vor zwei Jahren auf einem Campingplatz in Kroatien kennengelernt hatten, wir durften zwei Nächte im Gästezimmer schlafen, im Pool baden und mit den beiden eine sehr schöne Zeit verbringen! Vielen Dank hierfür, ihr Lieben! Wieder einmal konnten wir relaxen und uns ein wenig erholen. Über Klosterneuburg, wo wir Jennifer und Neil kennengelernt haben, die unter anderem mit einem Tandem durch Europa reisen und aus Sydney kommen, wo wir ja eigentlich hinwollen, obwohl uns die beiden abgeraten haben, weil es dort für Radfahrer nicht ungefährlich ist und auch keinen Spaß macht, ging es dann weiter bis Wien. Auf dem Weg dorthin haben wir Nuria über einen Videoanruf zum Geburtstag gratuliert und es war sehr schön, fast die ganze Familie kurz zu sehen und zu sprechen. Ich vermisse sie alle sehr! Wir sind durch Wien nur durchgeradelt, weil wir die Stadt von einem früheren Besuch kennen, aber Wien ist einfach eine atemberaubende und eindrucksvolle Stadt. Es war jedoch heiß und voll und wir waren froh abends auf einem offiziellen Wildcampingplatz noch in der Donau baden zu können, bevor es kühl wurde. Hier trafen wir auch wieder Jen und Neil und so radelten wir am nächsten Tag ein Stück bis nach Bratislava zusammen und entschieden uns spontan eine Nacht gemeinsam im Hostel zu verbringen und am Abend essen zu gehen, was sehr schön und spannend war. Die beiden wollten dort noch zwei Tage bleiben, für uns war das ein Kurzaufenthalt in der Slowakei und so ging es am nächsten Tag weiter nach Ungarn. Am 3.9. kamen wir auf einer kleinen Wiese bei einem Bauern an, das war der Zeltplatz und wir waren ganz allein unter einem tollen Sternenhimmel. Die nächsten Tage fuhren wir eher gezwungenermaßen immer sehr weit, aber die Campingplätze wurden weniger, die Straßen schlechter, teilweise durchs Feld mit tiefen Pfützen oder direkt auf der Straße neben den Autos, da es keinen Radweg gab, bis zu 40 km an einem Tag mit ständigem Überholt werden. In Ungarn war es wieder anders als in Österreich. Hier sah es bisweilen ärmlich aus, vor allem auf den Dörfern, auf allen Campingplätzen waren die sanitären Anlagen verschmutzt und trotzdem waren sie teuer, obwohl das Einkaufen sehr günstig war. Die Ungarn rauchen mehr, es gibt in den Läden mehr Wurst und Fleisch und Alkohol ist nicht teuer. In Österreich war alles teuer, aber sehr geleckt und sauber, so wie vorher auch in Bayern und die Radwege waren auch hier noch gut. Und dann kamen wir nach Budapest! Und das entschädigte uns für alles vorher in Ungarn, denn die Stadt ist traumhaft schön! Wir haben uns ein kleines Appartement gemietet und bleiben hier für vier Tage, denn das Wetter ist nicht so gut und wir brauchten dringend eine Pause mit der Möglichkeit uns zurückziehen zu können. Ich glaube, sonst wären unsere schon sehr überstrapazierten Nerven blank gelegen, wir hatten viel Streit in den letzten Tagen, eigentlich wegen jeder Kleinigkeit. Warum, fragt man sich vielleicht, wenn man doch eigentlich „nichts“ macht. Und dieses Nichts sieht dann so aus: Morgens um halb acht aufstehen, Isomatten aufrollen, das Zelt ausräumen, alles zurück in die Packtaschen, Kaffee kochen (auf einer Matte auf dem Boden, wenn kein Tisch da ist, der Boden ist immer feucht, es ist kalt, bis die Sonne ganz da ist, falls sie da ist), frühstücken, fertig packen, Zelt (entweder trocken oder eben nass) abbauen , verstauen und dann ist es schon zehn oder halb elf. Fahrrad fahren, irgendwann irgendwo irgendwas zum Mittagessen kaufen (wenn es gut läuft Brötchen, Käse und Tomaten, wenn nicht, dann Kekse, was Süßes vom Bäcker oder so), wieder Fahrrad fahren, es wird spät und man muss nochmal einkaufen um Abendessen zu kochen, also schnell nochmal einkaufen, endlich einen Zeltplatz für die Nacht finden, Zelt aufbauen, Taschen auspacken, ins Zelt räumen, kochen (genau, falls kein Tisch da ist usw. …), essen, duschen und hoffentlich bevor es kalt wird ins Zelt kriechen, kurz lesen, schlafen. Da ist man schon mal gereizt….und am nächsten Tag geht das Ganze von vorne los. Ohne einen Pausetag haben wir das am Stück einmal acht Tage hintereinander so gemacht. Und warum gibt man sich das? Es ist spannend, interessant, manchmal sogar meditativ (wenn es nicht zu heiß oder zu kalt ist, nicht regnet, man keinen Gegenwind hat, es nicht bergauf geht und nicht zu voll ist (voller Radfahrer oder eben Autos)) und man will weiter um mehr zu sehen. Und man fühlt sich stark, wenn man merkt, wie man über seine Grenzen gehen kann, fast jeden Tag, aber man darf es eben nicht übertreiben. Und es ist auch interessant andere Leute und Kulturen kennenzulernen, zu sehen, wie sich alles verändert, wenn man woanders hingeht. Reisen eben als Dauerzustand.
Stift Melk
Jennifer und Neil
Bratislava
Györ
Euro-Velo 6
16:00 nix Pause… noch 50km bis Budapest
Budapest nach km 1.497
Mahnmal Judenverfolgung

2 Antworten auf „Österreich-Ungarn“

  1. Hey Ihr beiden, das rollt sich ja ganz wunderbar an… Tolle erste Eindrücke, macht Lust auf mehr… Genießt die Zeit und Lasst`s Euch gut gehen.
    LGD

  2. Hey, bin ein wenig sprachlos ob der tollen Fotos, Filmsequenzen, bei denen man für 10 min mit Euch mit radeln kann und vermeintlich glaubt, man könne das von Euch Erlebte zumindest ein ganz klein wenig erspüren…
    Take care, relax and enjoy everything.

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